Jedes Geräusch hat eine Seele

Schritte auf unterschiedlichem Untergrund, Kleiderrascheln, Feuer, Verfolgungsjagden – mit diesen, aus seiner heutigen Sicht, eher simplen Geräuschen für eine Auftragsarbeit begann für Andreas Usenbenz der Weg vom Tontechniker zum international gefragten Sounddesigner. „Damals war ich mit einem einfachen Audiorecorder drei Monate lang auf Geräuschejagd und habe viel gelernt“, erinnert er sich an seine ersten dokumentierten Geräusche, aus denen inzwischen ein umfangreiches Geräuscharchiv wurde – thematisch geordnet, als Paket buchbar und ohne ein absehbares Ende.

Heute lässt er Dinosaurier durch die Wälder streifen oder Amöben aus dem Urmeer krabbeln. Was wäre ein modernes Museum wie das Darwineum in Rostock ohne die spannende multimediale Aufbereitung seiner Exponate? Usenbenz ist weit über die Grenzen Ulms gefragt, sieht seinen Mittelpunkt aber dennoch in der Donaustadt. Seine Klangcollage für die Einweihung der Kienlesbrücke wurde zur Melodie von Linie 2. „Ich habe ein Kontaktmikrofon direkt an den Streben befestigt und ihr tiefes Grummeln wurde zum Klang der Brücke. Mit der Essenz aus dem Sound der Brückenbögen, zusammen mit Straßenbahngeräuschen und Durchsagen zu den Haltestellen im Hintergrund, entstand eine Komposition mit engem Bezug zum Ort“, beschreibt Usenbenz seine Herangehensweise.

Bei der Suche nach Geräuschen hört Andreas Usenbenz zunächst nicht mehr als jeder andere. Der Unterschied liegt in der bewussten Wahrnehmung, im Erkennen der Qualität und der Verwendbarkeit. Das Klatschen eines nassen Wischlappens auf Steinboden wird zum Geräusch einer handfesten Schlägerei in der Tradition von Bud Spencer und Terence Hill und wenn Andreas Usenbenz durch den Matsch am Ufer eines Baggersees stampft, zeichnet sein Richtmikrofon Töne auf, die bearbeitet und aus dem Zusammenhang genommen, eine völlig andere Bedeutung bekommen.

Trotz des bereits umfangreichen Archivs geht das Sammeln weiter – nach neuen Geräuschen, nach technisch verbesserten Aufnahme- und Bearbeitungstechniken und neuen Ideen. Eine davon ist „Invisible City“, ein Projekt, das mit den Geräuschen der Stadt einen Klangraum erzeugt, zum Zuhören herausfordert, Emotionen weckt und polarisieren wird. „Als Grenzgänger bin ich solche Reaktionen gewohnt. Geräusche haben eine Seele und jede Stadt hat ihre Signatur. Das irritiert, da intensives Zuhören für viele inzwischen ungewohnt ist. Aber wenn man sich darauf einlässt, kann es zu einem ganz besonderen Moment werden.“  sba

Invisible City am 16. und 17. Februar 2019, Roxy-Labor

Fotos: Sigrid Balke, Privat