So smart können Küchen sein

Wie kaum ein Wohnbereich unterlag die Küche in den zurückliegenden Jahren einem tiefgreifenden Wandel. Erstens hat sie sich in den letzten 20 Jahren zum wichtigsten häuslichen Treffpunkt der Familie entwickelt. War sie bis in die 1980er Jahre eher klein und als separater Raum in Häusern und Wohnungen angelegt, so planen Architekten seitdem fließende Räumlichkeiten. Nahrungszubereitung, geselliges Essen und Wohnen sind vielfach in einem großen Raum zusammengefasst. Beim Kochen ist heute Platz, um sich zu unterhalten, dem Hobbykoch über die Schulter zu schauen und die Hausaufgaben der Kinder zu betreuen. Möglich wurde dies durch immer leisere Küchengeräte und die Fortschritte von Dunstabzugshauben.

Zweitens gab es in diesem Bereich in den letzten Jahren die bedeutendsten Innovationen im Haushalt. Man denke an den Siegeszug von Vorwerks Thermomix und seiner Nachahmerprodukte, die als „All-in-One“-Küchenmaschinen unzählige Funktionen beherrschen wie Pürieren, Kochen, Mixen, Mahlen, Dampfgaren, Anbraten und Fermentieren. Mit ihnen lässt sich Brot backen, Marmelade einkochen, Eis und Suppe zubereiten. Die Küchenöfen neuester Generation bieten innovative Zubereitungsmöglichkeiten wie Niedrigtemperatur-, oder Dialoggaren mit elektromagnetischen Wellen an, die von der Sterne-Gastronomie kommend, Einzug in Privatwohnungen halten. Der aktuell größte Trend, da sind sich alle Experten einig, sind mitdenkende, smarte Geräte. Das heißt, Backöfen regulieren Temperatur, Garzeit und -art selbst, können mehrere Gänge gleichzeitig zubereiten und schalten sich danach automatisch aus. Fortschrittliche Herdplatten mit Sensoren verhindern ein Überlaufen des Nudelwassers und das Anbrennen der Kartoffeln. Die Innenräume von Kühlschränken sind mit Kameras ausgestattet. Per Smartphone oder Tablet können sie mit einer speziellen App aktiviert werden, während man im Supermarkt einkauft, um zu sehen, ob noch genug Milch zu Hause ist. Mit einer App lassen sich Temperaturen regeln, Rezepte abrufen und für die Zubereitung mit dem Herd oder Kochfeld verknüpfen.

Steuerung per Wlan oder Bluetooth
Im Fokus steht, dass die Bedienungen einfach sein und helfen müssen, Zeit und Energie zu sparen. Ein Beispiel ist eine Kaffeemaschine, die erkennt, um welche Uhrzeit welcher Bewohner sich welchen Kaffee zubereitet und sich morgens kurz vor dem ersten Heißgetränk selbsttätig einschaltet. Die meisten Geräte lassen sich per Wlan oder Bluetooth mit dem Smartphone verknüpfen, teilweise kommunizieren sie untereinander. So kann die Spülmaschine an das Handy eine Information senden, dass sie entkalkt werden muss. Die Kaffeemaschine meldet, dass sich die Bohnen in der Vorratskammer der Maschine dem Ende neigen. Dies sind Möglichkeiten wie wir sie seit Jahren aus dem Büro kennen, wo etwa der vernetzte Drucker einen Hinweis auf den PC-Monitor schickt, wenn Druckerfarben zur Neige gehen.

Manche hoffen, dass durch mehr Technik am häuslichen Küchenblock die Gleichstellung von Mann und Frau vorangetrieben wird. Männern wird ja ein großes Interesse an Technik, aber ein kleines an häuslichen Arbeiten nachgesagt. Das könnte dazu beitragen, dass sie sich für smarte Geräte mehr interessieren und eher nutzen als analoge Gemüsereiben und Schneebesen. Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Splendid Research nutzen bereits heute 46 Prozent der Deutschen mindestens eine Smart-home-Anwendung. Gemäß einer weiteren Untersuchung von YouGov ist die Hälfte der Europäer bereit, für eine Küche mit vernetzten Hausgeräten bis zu 50.000 Euro mehr auszugeben als für eine Kochstelle mit herkömmlichen Geräten. Einer der Gründe für diese Bereitschaft liegt darin, dass Kochen und Essen einen bedeutenderen Stellenwert haben. Es geht längst nicht mehr um die bloße Nahrungsaufnahme. Vielmehr wird in der Wahl der Lebensmittel, der Art der Zubereitung und der Präsentation auf Tellern, in Gläsern und Bowls ein Lebensstil demonstriert. Die Marke der Küche, die Qualität der Geräte und die innovativen Möglichkeiten, die sie eröffnen, haben sich in unserer Gesellschaft vielfach zu einem Statussymbol entwickelt.

Garen mit elektromagnetischen Wellen
Zu solchen innovativen Geräten kann man Dialoggarer, wie sie beispielsweise Miele anbietet, zählen. Dabei werden die Zutaten im Ofen nicht mit einer gleichbleibenden Temperatur gegart. Stattdessen werden die Lebensmittel mit elektro-

magnetischen Wellen individuell und auf den Punkt passend gegart. Das heißt, es können auf einem Backblech Gemüse, Fleisch und Kartoffeln verteilt werden. Meistens können sie roh aufgelegt werden, manchmal ist es besser, sie vorher kurz anzubraten wegen der Röstaromen. Die Moleküle in den Nahrungsmitteln sind unterschiedlich angeordnet, dies wird bei dieser Methode berücksichtigt. Die Frequenzen werden permanent angepasst, die Daten liefern Sensoren im Innenraum des Herdes, die prüfen, wie viel Energie die jeweiligen Zutaten bereits angenommen haben. Der Clou: Alle Zutaten für eine Mahlzeit sind auf diese Weise auf einmal fertig. Vorbei die Zeiten, als weniger geübte Köche schnell an ihre Grenzen gelangten, weil sie Garzeiten falsch einschätzten und deshalb Fisch oder Fleisch und Beilagen nicht zeitgleich auf den Tisch kamen. Eine umfassende Rezeptsammlung in einer App zeigt an, was sich auf dem Blech zusammen kombinieren lässt und gut zusammen schmeckt.

Für weniger Stress am Herd sorgen zudem smarte Kochfelder. Hersteller wie Bosch verknüpfen diese mit Sensoren, die das Kochen und Braten überwachen und die Temperatur automatisch regulieren, wenn ein Steak anzubrennen droht. Miele arbeitet mit einem ähnlichen System, das die smarten Induktionskochfelder mit dem Smartphone verbindet. Handy und das Touchscreen-Feld melden, sobald das Bratöl in der Pfanne 200 Grad erreicht hat und das Fleisch hineingelegt werden soll. Nach wenigen Minuten fordert die App dazu auf, das Fleisch zu wenden und fertig zu garen. Bei Kochfeld-Anbietern wie beispielsweise Siemens ist es möglich, Töpfe und Pfannen während des Kochvorgangs beliebig zu verschieben. Die Einstellwerte der ursprünglichen Position werden automatisch auf die neue Kochzone übertragen. Aus der Profiküche stammt die Möglichkeit, das Kochfeld in drei unterschiedlich heiße Zonen einzuteilen. Durch Vor- und Zurückschieben der Töpfe und Pfannen in den jeweiligen Bereich wird die Temperatur angehoben beziehungsweise reduziert. Dies ist sinnvoll, wenn beispielsweise eine Sauce fertig ist und noch einige Minuten warmgehalten werden soll. Manche Induktionstechnik verzichtet sogar auf feste Kochfelder. Ein 90 Zentimeter breites Kochfeld besteht beispielsweise aus 56 ovalen Induktoren, die automatisch die Größe und Form des Kochgeschirrs erkennen und an der Stelle optimal erwärmen. So können gleichzeitig bis zu sechs Töpfe und Pfannen anstatt nur vier im Einsatz sein.

Per Sprachbefehl Kaffee kochen
Auch Kaffeevollautomaten werden intelligenter. So gibt es Geräte, die einem mehrere Espresso-Zubereitungen anbieten. Über ein Ausschlussverfahren nähern sie sich in mehreren Schritten der Zubereitungsart an, die dem Kaffeegenießer am besten schmeckt. Diese kann als Standardeinstellung hinterlegt werden. Bei anderen Anbietern ist die Kaffeespezialität mittels App konfigurierbar oder das Mahlwerk setzt sich per Befehl an den Sprachassistenten von Amazons Alexa in Bewegung. Überhaupt spielt die Steuerung mittels Sprache in der smarten Küche eine wichtige Rolle. Kein Wunder: Oft sind die Hände schmutzig oder man ist gleichzeitig mit mehreren Arbeitsschritten befasst. Da vereinfacht das Arbeiten per Zuruf die Abläufe. So gibt es clevere Herdtüren, die sich mittels Sprachsteuerung öffnen. Sehr praktisch, wenn man in beiden Händen das Backblech oder den Bräter hält. Dunstabzugshauben können per Ansage an- oder ausgeschaltet werden. Mit dem Gerät „Echo-Show“ für Alexa lassen sich Kochrezepte per Sprachsuche finden. Das Gerät, ein Smart-Home-Lautsprecher für das Steuern von Hausgeräten, aber auch von Lampen, Heizkörpern und der Kamera der Gegensprechanlage, zeigt im Fall der Kochanleitungen die Zutatenliste und leitet durch die Arbeitsschritte, die per Text beziehungsweise Sprachausgabe weitergegeben werden. Auch andere Anbieter wie „Google-Home“ haben eine Vielzahl an Rezepten und vergleichbare Nutzungsmöglichkeiten.

Bei innovativen Küchenarmaturen, wie etwa der Firma Blanco, kann man über einen Sensor am Brausearm das Wasser an- und ausschalten. Gerade mit schmutzigen Händen oder wenn man zum Waschen Lebensmittel in beiden Händen hält, ist diese Technik nützlich. Andere Armaturen ermöglichen es, dass in wenigen Sekunden kochend heißes Wasser aus dem Hahn kommt, um einen Tee oder Kaffee aufzubrühen. Entscheidend wird sein, dass sich smarte Küchenhelfer nicht nur per App oder Sprachsteuerung bedienen lassen, sondern sich mehr und mehr miteinander vernetzen – über Herstellergrenzen hinweg. Schon heute ermöglicht es eine Dunstabzugshaube, mit dem darunterliegenden Herd zu kommunizieren. Sie registriert die austretenden Dämpfe und stellt sich entsprechend ein. Durch den integrierten Luftgütesensor passt die Haube zudem ihre Leistung an die aufsteigende Dunstmenge an. Ist der Kochvorgang beendet, schaltet sie sich aus.

Die Garvorgaben eines Rezeptes, das in einer App des Hausgeräte-Herstellers zu finden ist, kann an den Herd übertragen werden, der diese Vorgaben automatisch übernimmt. Voraussetzung: Die App mit den Rezepten muss (noch) vom gleichen Anbieter sein wie der Herd. Daran hakt es heute noch vielfach. Einige große Hersteller haben Home-Connect-Angebote, die ihre Geräte mit einer eigenen App samt Rezeptsammlung verbinden. Sie gewährleisten innerhalb ihres Systems auch einen sicheren Umgang mit den Daten. Das heißt, bei offenen Systemen müsste dies ebenfalls gewährleistet sein.

Einen weiteren, nicht zu vernachlässigenden Vorzug haben per Handy steuerbare Küchengeräte: Verlässt man das Haus und ist unsicher, ob der Herd ausgeschaltet ist, muss man nicht zurück, sondern kann dies per App prüfen und ihn gegebenenfalls mit einem Fingertipp auf dem Display ausknipsen. bh

Fotos: Miele, Bosch, Siemens (2)

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