Dr. Karin Hartmann

TOP: Sie sind im vergangenen Jahr neu gewählt worden. Wie ist Ihr erster Eindruck von der Arbeit im Gemeinderat?
Karin Hartmann: Mein Eindruck von der neuen Tätigkeit war von Anfang an sehr positiv. Man wird mit vielen neuen Themen konfrontiert und bekommt einen sehr guten Einblick in die Geschehnisse in der Stadt. Das ist sehr spannend und interessant.

TOP: Wird man als „Neuling“ im Gemeinderat ernst genommen oder werden Diskussionen oft von den „alten Hasen“ dominiert?
Karin Hartmann: Eindeutig Ersteres. Der Gemeinderat wurde ja neu gewählt und damit auch neu zusammengesetzt.  Es herrscht ein sehr respektvoller Umgang miteinander.  In den Sitzungen kann jeder seine Meinung sagen, danach werden die Themen sachlich diskutiert. Während des Wahlkampfes waren die Kandidaten untereinander zwar Konkurrenten, aber jetzt habe ich das Gefühl, dass fraktionsübergreifend die Stadträte nach den besten Lösungen für die Themen in der Stadt suchen.   

TOP: In welchen Ausschüssen sind Sie und wie häufig finden die Sitzungen statt?
Karin Hartmann: Der Gemeinderat tagt in der Regel einmal pro Monat. Ausschüsse, in denen ich tätig bin, sind der Hauptausschuss, der Kulturausschuss und der Jugendhilfeausschuss. Darüber hinaus bin ich Mitglied im Gemeindepsychiatrischen Verbund und in der Regionalen Planungsgruppe Eselsberg. Die meisten dieser Gremien tagen einmal pro Monat, einige jeden zweiten Monat. Insgesamt ergibt sich ein recht voller Terminkalender, denn die Mitglieder des Gemeinderats werden ja auch zu zahlreichen weiteren Veranstaltungen eingeladen.       

TOP: Sind Sie darüber hinaus in weiteren Gremien, z.B. im Aufsichtsrat städtischer Unternehmen, und wenn ja, in welchen?
Karin Hartmann: Ja, ich habe Aufgaben in zahlreichen weiteren Gremien, u.a. im Aufsichtsrat der Ulm Messe, im Aufsichtsrat der Ulm/Neu-Ulm Touristik UNT, als Mitglied in der Planungsgruppe der Landesgartenschau 2030 und als stellvertretendes Mitglied im Verwaltungsrat der Sparkasse Ulm.   

TOP: Als Stadträtin sind Sie in einer Vielzahl von Entscheidungen involviert. Wie schwer ist es, sich im jeweiligen Einzelfall die erforderliche Sachkenntnis anzueignen? 
Karin Hartmann: Wir bekommen sehr viele Informationen, z.B. die Sitzungsunterlagen aller Ausschüsse, d.h. auch derjenigen Ausschüsse, in denen man nicht Mitglied ist. Um die Papierflut einzudämmen, werden die Unterlagen in der Regel digital auf dem Tablet zur Verfügung gestellt.
Um kompetent mitreden zu können, sollte man natürlich alles aufmerksam lesen und sich außerdem  aus verschiedenen Quellen Informationen holen. Hilfreich ist es auch, dass zu Beginn wichtiger Diskussionen bzw. im Vorfeld einer wichtigen Abstimmung ein Mitarbeiter  der Stadtverwaltung einen Einführungsvortrag zu den wesentlichen Fakten hält.
Und natürlich höre ich mich auch häufig in der Bevölkerung um, um zu erfahren, welche Themen die Menschen in der Stadt gerade beschäftigen.

TOP: Sie sind selbständig als niedergelassene Ärztin. Stellt der doch recht große zeitliche Aufwand im Gemeinderat und seinen Ausschüssen für Ihre berufliche Tätigkeit eine Belastung dar?
Karin Hartmann: In der Summe entspricht die Tätigkeit im Gemeinderat sicherlich einem Halbtagsjob. Da ich selbständig bin und meine beruflichen Termine selbst plane, kann ich sie gut mit den Terminen als Stadträtin koordinieren. Viele Sitzungen fangen mit Rücksicht auf die Berufstätigen auch erst am Nachmittag an. Für Festangestellte oder bei Familien mit kleinen Kindern wäre diese hohe Termindichte bestimmt ein größeres Problem.

TOP: Ihre Wählergruppierung „Ulm für alle“ hat eine Fraktionsgemeinschaft mit der CDU gebildet. Worin liegen die Vorteile einer solchen Fraktionsgemeinschaft?
Karin Hartmann: Als Fraktion hat man deutlich mehr Mitwirkungsmöglichkeiten als als Einzelperson, beispielsweise mehr Sitze in den Ausschüssen, da diese nach Fraktionsstärke vergeben werden. Außerdem bekommt man ohne Fraktion keine Mandate in den Aufsichtsräten der städtischen Gesellschaften. Da man erst ab drei Personen eine Fraktion bilden kann und „ Ulm für Alle” bei der Gemeinderatswahl nur zwei Sitze erlangt hat, war es naheliegend, dass wir uns einer der anderen Fraktionen anschließen. Innerhalb der Fraktionsgemeinschaft sind wir bestrebt, unsere Eigenständigkeit zu bewahren, was uns in der Zusammenarbeit mit der CDU auch sehr gut gelingt.  

TOP: Gibt es im Gemeinderat eine Art Fraktionszwang, ähnlich wie im Bundestag, oder darf jeder gemäß seiner eigenen Meinung abstimmen?
Karin Hartmann: Grundsätzlich ist jeder frei in seiner Meinung und nur dem eigenen Gewissen verpflichtet.  Aber trotzdem ist es im Sinne eines vertrauensvollen Miteinanders üblich, dass man innerhalb der Fraktion die Themen diskutiert und sich abstimmt. Es gibt aber durchaus Entscheidungen, in denen die Fraktionsmitglieder unterschiedlich abstimmen.

TOP: Die Wählergruppierung „Ulm für alle“ ist im Wahlkampf unter anderem mit dem Slogan angetreten: „Andere reden von Bäumen, wir pflanzen sie“. Wann und wo entsteht dieser Wald? 
Karin Hartmann: Die im Wahlkampf genannten 10.000 Bäume sind unser langfristiges Ziel. Grundsätzlich möchten wir mehr Grün in der Stadt. Beispielsweise sollten bei der Umgestaltung der Hirschstraße grüne Oasen mit Sitzgelegenheiten geschaffen werden. Vor kurzem habe ich einen Antrag gestellt, dass Pflanzkübel mit größeren Grünpflanzen auf dem Kornhausplatz aufgestellt werden, denn leider ist auf diesem Platz das Pflanzen von Bäumen wegen der darunterliegenden Tiefgarage nicht möglich. Wichtig sind für das Stadtklima auch Begrünungen auf Dächern und an Fassaden. Wenn neu gebaut wird, muss auch immer ausreichende Begrünung dazu kommen. Darauf achten wir sehr.
Darüber hinaus sollte Ulm zum Schutz der Bäume eine Baumsatzung erlassen, wie sie in vielen anderen Städten, z.B. in Augsburg, schon lange besteht. Einen entsprechenden Antrag haben wir vor kurzem gestellt.

TOP: Was gefällt Ihnen besonders an Ulm und wo sehen Sie das derzeit dringendste Problem?
Karin Hartmann: Ulm ist eine offene und sehr innovative Stadt, die eine hohe Lebensqualität bietet. Es gibt eine große kulturelle Vielfalt. Universität und Wissenschaftsstadt wachsen weiter und tragen zur Qualität der Stadt bei.
Die für die Zukunft vorrangig wichtigen Themenbereiche sind bezahlbares Wohnen, Familienpolitik sowie klimapolitische Maßnahmen. Dazu gehört auch, dass die Qualität des ÖPNV verbessert wird, z.B. durch eine engere Taktung. Außerdem muss das Radwegenetz weiter ausgebaut werden. Gerade im Zusammenhang mit der Landesgartenschau 2030 bieten sich viele Möglichkeiten, die Stadt attraktiver zu gestalten, was wir mit kreativen Ideen nutzen sollten.
Als Vision für die fernere Zukunft schwebt mir – wie es in einigen Städten Frankreichs schon gut funktioniert – eine überwiegend autofreie und grüne Innenstadt vor. Am Rande gibt es Parkhäuser, in der Innenstadt zirkulieren  kleine elektrisch betriebene Shuttlefahrzeuge für die Fußgänger. Eine weitere Vision ist der Ausbau von Mehrgenerationen(wohn)projekten, von denen Jung und Alt gleichermaßen profitieren.

TOP: Vielen Dank für das interessante Gespräch.      

Fotos: Privat